EBCA Team

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Zwischen hoher Zustimmung und mangelhafter Umsetzung

Internationales Symposium der EBCA und EZA in München

Charly Bunner beim Symposium
Die Tatsache ist bekannt: Frauen werden spürbar schlechter für dieselbe Arbeit entlohnt als Männer. Das hat zum einen mit der unterschiedlichen Erwerbsbiografie zu tun, denn Frauen pausieren im Beruf, wenn sie Kinder bekommen. Viele arbeiten nach der „Babypause“ nur noch Teilzeit, manche bleiben gleich ganz zu Hause, wenn der Partner gut verdient. Wer Erziehungszeiten außen vor lässt, erhält eine bereinigte Lohnlücke, die immer noch deutlich ausfällt: In Österreich verdienen Frauen im Schnitt 10,8 Prozent weniger als Männer, in Deutschland rund 6 Prozent. Nur im öffentlichen Dienst, der geschlechtergerecht bezahlt, ist die Lage deutlich besser.  
Besonders betroffen sind in manchen Ländern Berufsanfängerinnen: In Spanien erhalten diese bis zu 50 Prozent weniger Geld für dieselbe Arbeit als junge Männer. Was kann, was muss man gegen diese Ungerechtigkeit tun?

Internationale Beteiligung
Die Europäische Christliche Arbeitnehmer-Bewegung (EBCA) befasst sich deshalb in einem Symposium unter dem Titel „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – zwischen hoher Zustimmung und mangelhafter Umsetzung“ genau mit dieser Frage. Dabei wird die Rolle der christlichen Arbeitnehmerorganisationen besonders berücksichtigt. Das international besetzte Symposium, findet vom 19. bis 21. September in München statt. Rund 40 Teilnehmende aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Österreich, Italien (Südtitol), Tschechien, Litauen sowie aus Ruanda nehmen daran teil. Gefördert wird die Veranstaltung über das Europäische Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) aus Mitteln der Europäischen Union. Der örtliche KAB-Diözesanverband München und Freising unterstützt als Koordinator vor Ort.
Eingangs spricht der Leiter des Katholischen Büros Bayern, der Politologe Matthias Belafi, ein Grußwort. Darin geht er auf die große Bedeutung der katholischen Soziallehre für die soziale Marktwirtschaft in Europa ein. Auf Europa blicken verschiedene Länder und Regionen der Welt, die sich im Wettstreit der Systeme noch nicht zwischen der sozialen Marktwirtschaft und dem ungezügelten Kapitalismus entschieden haben. Belafi ermutigt die Anwesenden, sich dafür einzusetzen, die Gesellschaft und die Wirtschaft im Sinne der christlichen Sozialethik mit zu prägen. Der europäischen Ebene der Christlichen Arbeitnehmer-Bewegung komme dabei eine große Bedeutung zu.

Gender Pay Gap führt zu Gender Pension Gap
Schließlich stellt der Präses der KAB Deutschland, Stefan Eirich, die Ergebnisse einer Umfrage in den Mitgliedsorganisationen aus den Herkunftsländern der Teilnehmenden vor. Diese bietet nicht nur Zahlen zum Gender Pay Gap, sondern auch zum Gender Pension Gap. Es ist nur logisch: Frauen, die während ihrer Erwerbsbiografie bereits weniger verdient haben, erhalten später auch deutlich geringere Ruhestandsgelder. Besonders schwierig stellt sich die Situation für alleinerziehende Frauen dar, da sie auf Kinderbetreuungsplätze angewiesen seien, die oftmals fehlen. Die Lage von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt erweist sich häufig als besonders prekär, denn Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss arbeiten in gering entlohnten Jobs. Dazu kommt, dass viele von ihnen in der so genannten Schattenwirtschaft in privaten Haushalten arbeiten und dort ausgebeutet werden, weil sie ihre Rechte nicht kennen und allein für sich stehen.
Arbeitsgruppen im Anschluss an die Übersicht vertiefen die Eindrücke aus den Ländern, die im Symposium vertreten sind. Bemerkenswert hoch ist der Anteil der unbezahlten Care-Arbeit, die Frauen zusätzlich zum Berufsleben im Haushalt, bei der Kindererziehung und bei der Pflege von Angehörigen leisten: So bleiben in Deutschland 70 bis 80 Prozent dieser unbezahlten Arbeit bei den Frauen. In anderen europäischen Ländern bewegen sich die Zahlen auf vergleichbarem Niveau. Die Teilnehmer am Symposium sind sich einig: Care Arbeit muss zwischen Mann und Frau neu und gerecht verteilt werden.

Neu aufkeimender Antifeminismus
Der zweite Tag der Veranstaltung startet mit einem Vortrag der Gleichstellungsbeauftragten im DGB-Bundesvorstand, Heike Lehmann. Sie arbeitet heraus, dass der aktuelle Gender Pay Gap in Deutschland umso größer ist, je älter die Frauen sind. Beträgt er bei den 30-Jährigen 2,28 Euro pro Stunde, so liegen bei den 60-Jährigen bereits 8,19 Euro pro Stunde zwischen den Geschlechtern. In der Europäischen Union habe Deutschland die drittgrößte Lohnlücke. Die DGB-Expertin wirbt deshalb für mehr Tarifbindung sowie für die Sozialversicherungspflicht ab der ersten Arbeitsstunde. Und Führungspositionen sollten prinzipiell auch Teilzeitbeschäftigten ermöglicht werden.
Einen weiteren Fokus legt die DGB-Gleichstellungsbeauftragte auf den wachsenden Antifeminismus. Gerade neoliberale und rechtsradikale Politiker sprechen sich vehement gegen Maßnahmen der Frauenförderung aus, da sie diese für wirtschaftshemmend halten. Vor allem jüngere Männer seien für diese Denkweise anfällig. Entsprechende Tendenzen ließen sich nicht nur in Deutschland feststellen, sondern auch in anderen Ländern. Dem neuen Antifeminismus gelte es, die Stirn zu bieten.
Am Nachmittag des zweiten Tags sind die Symposiums-Teilnehmer unterwegs, um Arbeitnehmer-Vertreterinnen und -Vertretern zu begegnen. Eine Gruppe trifft sich mit Betriebsrats-Mitgliedern des Global Players Siemens. Eine zweite Gruppe tauscht sich beim DGB Bayern über die Thematik der Tagung aus. Und eine dritte Gruppe lässt sich schließlich vom KAB-Diözesanverband München und Freising über dessen Aktion „SOS Kita“ informieren, die sehr erfolgreich verlaufen ist.
Der dritte Tag startet mit einem Gottesdienst, den der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan, mit den Anwesenden feiert. In seiner Predigt bestärkt er die Symposiums-Teilnehmenden in ihrem Engagement für das Schließen des Gender Pay Gap. Bereits Jesus habe die Frauen in ihrer damaligen gesellschaftlichen Benachteiligung unterstützt und sich um ihre Würde gesorgt. Der Einsatz der christlichen Arbeitnehmer-Bewegungen stelle deshalb eine hochaktuelle Botschaft dar und könne den Frauen Zuversicht vermitteln.

Würde der weiblichen Arbeit anerkennen
Es folgt ein Runder Tisch zum Thema „Aktuelle Herausforderungen und Möglichkeiten zum Schließen des Gender Pay Gap“. Hier diskutieren Maite Valdevieso, Direktorin des Sekretariats für Arbeiter:innenpastioral in der Diözese Bilbao (Spanien), die Abgeordnete des italienischen Parlaments Renate Gebhard (Südtiroler Volkspartei) und Inès Minin, Generaldirektorin des Hilfswerks „Terre Solidaire“ aus Paris.
Maite Valdevieso betont, dass die Würde der Frau und der weiblichen Arbeit im Fokus stehen müsse. Menschen wirkten durch ihre Arbeit an Gottes Schöpfung mit. Die Arbeit dürfe die Würde der Arbeitnehmerinnen nicht verletzen und müsse es ihnen zudem ermöglichen, ein Leben in ebendieser Würde zu führen.
Renate Gebhard erinnert daran, dass die Zeiten einer noch viel größeren gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern noch nicht lange zurückliegen. So durfte sie in den 1980-er Jahren weder ministrieren noch in einer Blasmusikkapelle spielen. Die Gesellschaft hätte sich weiterentwickelt, aber es bleibe viel zu tun. Vor allem gelte es, die Rahmenbedingungen in der Politik so zu gestalten, dass den Frauen eine gerechte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werde. In der autonomen italienischen Provinz Südtirol habe man seit den 1990-er Jahren stark in den Ausbau von Kindertagesstätten und in die Ausbildung von Tagesmüttern investiert, so dass Frauen arbeiten könnten. Die Frauenerwerbsquote betrage dort rund 70 Prozent, während in anderen Regionen Italiens im Durchschnitt nur 50 Prozent berufstätig seien.
Inès Minin berichtet von der Arbeit der Hilfsorganisation Terre solidaire, die sich unter anderem in 16 afrikanischen Ländern engagiert. Frauen hätten dort die Aufgabe, die Mahlzeiten für ihre Familien zuzubereiten. Dazu gehöre vielfach der Anbau geeigneter Nahrungsmittel. Aufgrund des Klimawandels würde dies jedoch zunehmend schwerer. Frauen seien die ersten, die ihr Land verlieren. Terre solidaire stärkt Mädchen und Frauen in betroffenen Regionen mit Bildungsmaßnahmen, die sie befähigen, ihre Familien wieder zu ernähren. Besonders erfolgreich hat sich ein Projekt im Senegal entwickelt, das Frauen in der traditionellen Fischerei ausbildet. So können sie ertragreiche Arbeitsplätze für sich schaffen.
Konkrete Forderungen verabschiedet
Am Ende des Symposiums verabschieden die Teilnehmenden eine Abschlusserklärung, die nach dem Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln aufgebaut ist und in konkrete Forderungen einmündet: Die Verpflichtung von Unternehmen zu gleichem Lohn für gleiche Arbeit, familienfreundliche Arbeitszeiten für beide Geschlechter, generell kürzere Arbeitszeiten, eine gerechte Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen, eine existenzsichernde Absicherung im Alter sowie die Legalisierung des Aufenthaltsstatus von Beschäftigten in der „Schattenwirtschaft“.
Die Gewerkschaften werden dazu aufgerufen, sich in ihrer Gesamtheit für die Belange von Beschäftigten in Betreuungs- und Pflegeberufen einzusetzen, politische Parteien werden aufgefordert, sich klar gegen den neu aufkeimenden Antifeminismus zu positionieren.
Nicht zuletzt wird mehr Unterstützung für Frauen in Ländern des Südens angemahnt, damit sie durch Bildungsprogramme befähig werden, auch angesichts von Klimawandel und Umweltzerstörung eine existenzsichernde Arbeit zu finden.

Gabriele Riffert